Nun deutete sich an, dass die räumliche Trennung
zum dauerhaften Zustand werden würde.
Einschneidender und schmerzlicher dürfte zum
anderen der Umstand gewesen sein, dass auch Bru-
der Gustav nach Ablegen seines Abiturs zum 1. April
seinen Arbeitsdienst in Much antreten musste. Da-
mit verlor Günther seinen engsten Vertrauten und in
vielerlei Hinsicht auch sein um drei Jahre älteres
Vorbild, das (Schlager-)Musik liebte und in einer
Tanzband spielte, mit Jungvolk – dem er formal an-
gehörte – oder HJ aber nichts im Sinn hatte. Wie
nahe ihm dieser Verlust ging, den er im Tagebuch
mit dem lapidaren Eintrag „Heute ist Gustav zum
Arbeitsdienst gefahren“ abtat, geht aus einem Brief
hervor, den Vater Toni unmittelbar nach dem 1. Ap-
ril 1939 aus Trier an Sohn Gustav in Much richtete.
Mit Blick auf den zumeist sehr ausgeprägten Ab-
schiedsschmerz von Mutter Elisabeth konnte er ihm
mitteilen, „dass die Diesbezügliche sich ganz gut geschickt hat
und bis zu meiner Abreise kein Wasser durchgebrochen“ sei. Mit
Günther sah das hingegen offenbar anders aus: „Ich habe eher
das Gefühl, als ob es deinem Herrn Bruder an die Nieren gegan-
gen ist, denn er hat nun keinen mehr, womit er krakeelen kann.“
Angesichts der mehrfach belegten Tatsache, wie schwer Elisa-
beth Roos die Trennung von ihrem ältesten Sohn fiel, lässt sich
das Ausmaß des vom Vater eher verharmlosten Trennungs-
schmerzes bei dessen Bruder Günther ermessen.
Ein weiterer Verlust trat kurze Zeit später noch erschwerend
hinzu: Auch der beste und engste Spielkamerad, Kurt Fröhlich,
Sohn eines Brühler Teppichfabrikanten, musste Brühl aufgrund
nicht ausreichender Schulleistungen nach Abschluss des Schul-
jahres Mitte April verlassen, um nach den Osterferien auf ein
133 /
Gustav Roos’ Schülerband im Jahr 1938.
V.l.n.r.: Alex Wolff, Peter Juchem,
Paul Baukmann, Willi Wimmer und
Gustav Roos. Keines der Bandmitglieder
sollte den Zweiten Weltkrieg überleben.
134 /
Günther Roos (rechts) mit Kurt Fröhlich
am 17. Juli 1938 „am Fabrikschornstein
auf dem Dach der Teppichfabrik“
133
134
1939: „Es lebe Deutschland!“
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