diesem Tag doch Geburtstag: „Heute bin
ich sechzehn Jahre alt geworden. […]
Heute ist Dünkirchen gefallen. Mit der
Eroberung Dünkirchens haben wir die
größte Umfassungsschlacht aller Zeiten
gewonnen. Der Sieg über Frankreich ist
uns jetzt nicht mehr zu nehmen. Frank-
reich und Belgien sind praktisch schon
besiegt!“
[
Ü
51]
Die mit Beginn des deutschen West-
feldzuges einsetzenden nächtlichen Luft-
angriffe wurden angesichts der schnellen
Erfolge der Wehrmacht als wenig be
deutsame Störmanöver abgetan. „Abends
war Fliegeralarm“, schrieb Günther etwa
am 25. Mai und kommentierte altklug-
überheblich, dabei aber wohl dem dama-
ligen Stimmungsbild folgend: „Wenn
Churchill meint, uns durch die Flieger-
alarme zu zermürben, ist er stark auf
dem Holzweg, oder will er damit den
Vormarsch unserer Truppen aufhalten?
Armer Churchill!“ Mit dieser Sicht der
Dinge betätigte er sich als Sprachrohr
seines Vaters, der mit Blick auf einen der
ersten, in seinen Augen völlig misslun
genen englischen Luftangriffe in der
Nacht auf den 12. Mai 1940 noch am glei-
chen Tag in einem Brief an Sohn Gustav
in Hannover von einem „beschissenen
Erfolg“ schrieb, aus dem „Herr W. C. wahr-
scheinlich etwas ganz Tolles zusammen-
brauen“ werde. Drei Tage später ergänzte
er – dieses Mal aus Trier: „Mensch, be-
kommen die Saures. Gestern u. heute
ziehen Kolonnen über Kolonnen aller
Waffengattungen hier durch gegen Wes-
ten, man macht sich gar keinen Begriff,
zur Hauptsache motorisierte Einheiten
und Infanterie.“ Der deutsche Auf-
marsch nehme einfach kein Ende und
die verfügbare Menge an Kriegsmaterial
sei ungeheuer – „einfach fantastisch“:
„Verlass dich darauf, der Führer hat gut
vorgesorgt.“ Man rechne, so schloss er
seine Analyse, innerhalb von zwei Mona-
ten mit der Niederlage Frankreichs, „und
dann geht es nach England, wenn es
noch existiert“. Am 22. Mai versuchte er
dann seine Frau Elisabeth zu beruhigen:
„Dass die Engländer auch mal zu spüren
bekommen, was Fliegerangriffe sind,
wirst Du schon in den nächsten Tagen zu
hören bekommen. Dann geht es von uns
aus los, aber wie. Verlass dich darauf,
dass London in Schutt und Asche gelegt
wird.“
Auch den Juden in den von Deutsch-
land künftig besetzten Ländern, daran
ließen die solchem Tun zustimmenden
Schilderungen von Anton Roos keinerlei
Zweifel, drohe Böses. In Luxemburg, so
teilte er etwa Sohn Gustav am 15. Mai
mit, seien sämtliche Juden „sichergestellt“
worden: „Die SS hatte allerhand zu tun.“
Und seiner Frau Elisabeth schrieb er fünf
Tage später, die „Kinder Israels“ seien bei
der Besetzung des Herzogtums „unsanft
aus dem Schlafe geweckt“ worden: „Gott
der Gerechte, können die Preußen orga-
nisieren, das ganze Gesocks ist schon in
Arbeitsbataillonen zusammengestellt.“ –
All diese überheblich-herablassenden Mit-
teilungen wird auch Günther Roos gele-
sen und aus vollem Herzen unterstützt
haben.
Der Juni 1940 ließ den gerade 16 Jahre
alt Gewordenen dann, das zumindest ist
der Eindruck, den seine Tagebucheinträge
vermitteln, kaum mehr zum Atmen kom-
men. Sieg auf Sieg wurde dort vermeldet,
alles war in seinen Augen märchenhaft,
Deutschland unbezwingbar. Insbeson
dere der schnelle Erfolg bei Verdun, so
kommentierte er seine Notizen Jahrzehn-
te später, habe damals für ihn, wie für den
größten Teil der deutschen Bevölkerung
und insbesondere die Jugendlichen, einen
„ganz besonderen Klang“ gehabt: „Mit
heißen Ohren hatten wir in Kriegs
büchern wie von Zöberlin und Beumel-
burg von den schweren Kämpfen im
[Ersten] Weltkrieg gelesen. Und diese da-
mals nie eroberte Festung fiel jetzt beim
ersten Ansturm unserer siegreichen Wehr-
macht!“ Wer jetzt noch am „Feldherren-
genie Hitlers“ gezweifelt habe, so fasste er
die damalige Stimmung zusammen, dem
sei „wirklich nicht zu helfen“ gewesen. Ins-
besondere „wir Jungen“ seien restlos be-
geistert gewesen: „Wir vertrauten voll dem
Genie unseres Führers, der doch wieder
150 /
Eine weitere Seite aus der
Hilf mit!
, in diesem Fall aus der
Ausgabe vom Juni 1940
51 Ü Der „Westfeldzug“ im deutschen Rundfunk131
1940: „Es ist bald wie im Märchen. Deutschland wird siegen!“
1940