das haben wir nicht gedacht. Dadurch
sind wir den Engländern um 10 Stunden
zuvorgekommen.“ Vier Tage später, am 13.
April, notierte er noch immer sichtlich be-
eindruckt: „Am 9. waren wir alle platt.
Mit allem hatten wir gerechnet, nur nicht
mit Norwegen und Dänemark. Den Eng-
ländern sind wir zuvorgekommen. Das
macht Spaß!“ Und auch im Rückblick re-
sümierte Günther Roos 1989: „Das war
natürlich ein Ding. Ein Glück, dass wir
den Führer haben, der immer wieder dem
Feind einen Schritt voraushat. Und nun
begann gleichzeitig der Traum von einem
Großgermanischen Reich Wirklichkeit zu
werden.“ Was damit gemeint war, hatte
Vater Toni in einem Brief skizziert, den er
Ende April 1940 an Sohn Gustav in Han-
nover richtete. Norwegen, so malte er da-
rin die deutsche Zukunft aus, sei für das
künftige Deutschland „ein großes Sied-
lungsgebiet“, in dem insbesondere jene
„Auslandsdeutsche“ unterkämen, die nun-
mehr aus den USA und Kanada nach Eu-
ropa zurückkehrten und dort angesiedelt
würden. „Denn selbstständig wird Nor-
wegen nie mehr.“ Auch die jetzige deut-
sche Bevölkerung werde künftig von dem
Landgewinn profitieren, denn, wenn der
Krieg beendet sei, werde es „herrliche
K.D.F.-Reisen nach dem Norden“ geben.
Doch die deutsche Offensive in Nord-
europa stellte erst den Anfang dar, dem
am 10. Mai der vorläufige Höhepunkt
folgte: „Hurra! Ferien! Heute Morgen
sind unsere Truppen in Holland, Belgien
und Luxemburg auf breiter Front einmar-
schiert. Als wir es zuerst hörten, glaubten
wir, es sei eine Falschmeldung. Wir konn-
ten es gar nicht fassen. Es geht los, der
Kampf wider den stärksten Gegner
Frankreich beginnt. Wer Sieger bleibt, ist
klar: Das sind wir! Wir sind wieder den
Engländern, die durch Holland ins Ruhr-
gebiet einfallen wollten, zuvorgekommen.
Holland und Belgien widersetzen sich.
Ob sie glauben, einem Deutschland ent-
gegentreten zu können?“ Und als Gün-
ther nachmittags mit einem Freund eine
Fahrradtour unternimmt und dabei
stürzt, wird auch diesem Ereignis gleich
eine höhere Bedeutung beigemessen:
„Habe eine Narbe an der rechten Stirn be-
kommen. Sie wird für mich eine ewige
Erinnerung an den heutigen, weltge-
schichtlich bedeutungsvollen Tag sein.“
Zwei Tage später notierte er noch immer
siegestrunken: „Es ist bald wie im Mär-
chen. Deutschland wird siegen!“, und
kommentierte auch in den folgenden Ta-
gen und Wochen das Kriegsgeschehen im
Westen. Dabei dürfte ihm insbesondere
der 4. Juni 1940 für die eigene Zukunft
wegweisend erschienen sein, hatte er an
148 /
Schaufensterdekoration des
Kölner „Kaufhofs“ aus dem
Jahr 1940, die auch Günther
bei seinen zahlreichen Köln-Besuchen kaum entgangen
sein dürfte
149 /
Die damals weitverbreitete
Schülerzeitschrift
Hilf mit!
brachte allen Schülerinnen
und Schülern das kriegerische
Geschehen aus NS-Sicht
nahe. Hier eine Seite aus dem
Aprilheft 1940
148
128
1940: „Es ist bald wie im Märchen. Deutschland wird siegen!“